In der Schweiz machen schätzungsweise 30 bis 60 Prozent der Menschen, die Anrecht auf bedarfsabhängige Sozialleistungen hätten, davon nicht Gebrauch. Das entspricht einer Summe von 3,8 bis 7,6 Milliarden Franken, gemessen am Total der bedarfsabhängigen Sozialleistungen, die Bund, Kanton und Gemeinden erbringen.
Zum Vergleich: Der Betrag, der bei der bedarfsabhängigen Sozialunterstützung infolge Nichtinanspruchnahme eingespart wird, ist im äussersten Fall höher als die Summe der jährlichen Gesamtausgaben
von Bund, Kantonen und Gemeinden für den Strafvollzug (1 Milliarde Franken), für Gerichte und Rechtsprechung (1,6 Milliarden Franken) und für die Polizei (4 Milliarden Franken), wie eine
Zusammenstellung aus dem Jahr 2010 zeigt.
Verschiedene Untersuchungen kommen zum Schluss, dass in der Schweiz auf jeden Sozialhilfebezüger mindestens zwei Personen kommen, welche eine Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen der
Sozialhilfe ablehnen – obschon sie einen Anspruch darauf hätten. Sie ersparen dem schweizerischen System der sozialen Sicherheit eine finanzielle und strukturelle Belastung, die es in der
heutigen Qualität kaum zu stemmen vermöchte. Und vor allem: die unbewusste Nichtinanspruchnahme, die auf fehlende Informationen zurückzuführen ist, schafft ungleiche Versorgungsbedingungen in der
betroffenen Armutsgruppe, worunter Dritte (z.B. Kinder) zu leiden haben.
In der nationalen Armutsstudie von 1992 wurde die Nichtinanspruchnahme auf 45 bis 86 Prozent geschätzt; 1999 kam eine andere Studie, die sich auf den Beginn der 1990er Jahre bezieht, auf eine
Sozialhilfe-Nichtbezugsquote von 66 Prozent und das Bundesamt für Statistik (BfS) publizierte 2009 eine Studie, aus der hervorging, dass 2006 immerhin 28,2 Prozent der sogenannten
Armutsbevölkerung im Alter von 20 bis 59 Jahren keinen Gebrauch von ihrem Anrecht auf Sozialleistungen gemacht haben. Bei zusätzlich 7,7 Prozent war keine Aussage zum Bezug oder Nichtbezug von
Sozialleistungen möglich.
Die Haushaltstypen, die gemäss BfS-Studie am häufigsten Unterstützung beziehen sind Alleinerziehende und Personen, die in kinderreichen Familien leben (drei Kinder und mehr). In Armut lebende
Paare ohne Kinder machen am häufigsten keinen Gebrauch von ihren Ansprüchen, gefolgt von Paaren mit einem oder zwei Kindern und Alleinstehenden.
(aufgeschaltet im April 2015)
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