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Kommt es zur Arbeitspflicht im Asylbereich?

Die Arbeitsintegration von Asyl-Personen mit Bleiberecht – also anerkannte Flüchtlinge (FL) und vorläufig Aufgenommene (VA) – kommt nicht vom Fleck. Theorie und Praxis finden sich nicht. Es gelingt trotz Sprachkursen und aufwändigen Integrationsprogrammen auf freiwilliger Basis nicht, die Erwerbsquote im Asylbereich wirklich zu verbessern. Neu macht in der helvetischen Auslegung von "Willkommenskultur" ein bisher ungewohntes Wort die Runde: Arbeitspflicht!

Es ist die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos), bisher eher für Milde als für Strenge getadelt, die in ihrem jüngsten Dokument „Arbeit statt Sozialhilfe“ neue Töne anschlägt: „Es genügt nicht, berufliche Qualifizierungsprogramme bereitzustellen. Es muss vielmehr dafür gesorgt werden, dass alle Personen, die arbeitsfähig sind und nicht bereits über eine hinreichende berufliche Qualifikation verfügen, diese Angebote auch nutzen.“ Die Verpflichtung, einen Berufseinstiegskurs zu wählen und zu absolvieren, soll im Asylrecht gesetzlich verankert werden. Wer die angebotenen Berufseinsteigerkurse wie auch die Beschäftigungsprogramme nicht befolgt, müsste neu mit Sanktionen rechnen – vermutlich analog zu den neuen entsprechenden Richtlinien der Skos.

 

Darin heisst es u.a. als Voraussetzung für Sanktionen (Kürzung 5 bis 30 Prozent): „Auflagen sind der betroffenen Person klar zu kommunizieren, entsprechend den kantonalen verfahrensrechtlichen Vorgaben in einfacher Schrift- und Verfügungsform. Die betroffene Person muss unmissverständlich wissen, was von ihr verlangt wird und welche Konsequenzen die Nichterfüllung einer Auflage nach sich zieht.“

Im Fokus sind vorab die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Mehrheit der Asylpersonen. 2014 waren 55 Prozent von ihnen unter 25 Jahren – die meisten zunächst mit mündlichen und schriftlichen sprachlichen Defiziten; es wird mithin nicht einfach sein, eine allfällige Sanktionsandrohung in der erforderlichen Form zu kommunizieren.

 

Wie eine vom Bundesamt für Migration finanzierte Langzeit-Studie über die Erwerbsbeteiligung von FL und VA deutlich zeigt, weist bei den FL die jüngste Altersgruppe (18 bis 24-jährig) eine konstant höhere Erwerbstätigenquote auf als die älteren Altersgruppen. Dieser Unterschied ist bereits in der ersten Phase nach der Einreise bemerkbar: Die jüngste Altersgruppe startet schneller als die älteren Gruppen. Von daher leitet die Studie ab: Je jünger eine Person ist, desto besser die Arbeitsintegration. Bei den unter 35-Jährigen findet rund jede zweite Person eine Stelle in den ersten zehn Jahren; bei den über 35-Jährigen Altersgruppen sind es deutlich weniger.

 

Soweit die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Wer von den jungen Erwachsenen den Start verkorkst und nach dreimonatigem Arbeitsverbot keinen raschen Einstieg ins Erwerbsleben findet, risikiert für immer sozialabhängig zu werden. Darauf weist die Skos besonders hin: Die Erfahrung der Sozialämter zeigt, dass beruflich schlecht qualifizierte Personen vielfach langzeitabhängig von staatlicher Unterstützung sind und mit erheblichen, von den Sozialversicherungen teilweise nicht gedeckten Problemen zu kämpfen haben. Besonders deutlich zeigt sich das Risiko der Langzeitabhängigkeit von der Sozialhilfe bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, deren Anteil unter den Asylbewerbern noch immer steigt.

 

Am höchsten ist die Erwerbsquote übrigens im Langzeit-Überblick bei sogenannten Härtefällen, also nicht anerkannten Flüchtlingen, die aus unterschiedlichen Gründen Bleiberecht auf Zusehen hin erhalten. Ein Grund für ihre überdurchschnittliche Erwerbsquote wird auch im Umstand vermutet, dass die Aussicht auf den Härtefall-Status gleichsam wie ein Anreiz für vorbildliches Integrationsverhalten wirkt.

 

Eine bessere Integration von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen in den Arbeitsmarkt kostet mehr als die bisherige Integrationspauschale von 6000 Franken. Für einen einjährigen Berufseinstiegskurs rechnet die Skos pro Person mit 25‘000 Franken. Sie geht dabei von einem Bedarf von 5000 Plätzen pro Jahr aus, was einen zusätzlichen Aufwand von jährlich 125 Millionen Franken ausmachen würde.

 

Die Skos erwartet, dass die Kantone und Gemeinden für 28‘000 der zwischen 2010 und 2014 eingereisten 42‘000 Asylsuchenden mit Bleiberecht „mittelfristig“ Sozialleistungen erbringen müssen. Nur von einem Drittel dieser Personen wird erwartet, dass sie auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle finden, ehe die Vergütungen des Bundes entfallen und die Kantone und Gemeinden für die Sozialleistungen aufkommen müssen.

 

Weiter rechnet die Skos neu jährlich mit rund 10‘000 zugewanderten Personen, die durch die kantonale und kommunale Sozialhilfe unterstützt werden müssen. Da heute über 80 Prozent aller Personen im Asylbereich Unterstützung erhalten, bedeutet dies zweierlei: Jahr für Jahr kommen zu den insgesamt rund 250 000 unterstützten Personen in der Schweiz aufgrund der Entwicklung im Asylbereich in den letzten Jahren etwa vier Prozent neue Sozialhilfeempfänger aus dem Asylbereich hinzu. Es sind wiederkehrende Kostensteigerungen, die sich summieren, sofern es nicht gelingt, die Erwerbsquote der ausländischen Zuwanderer rasch zu erhöhen.

 

Die Erfahrung der Sozialdienste zeigt, dass die berufliche Qualifizierung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wegen sprachlichen und schulischen Defiziten und generell unzureichenden Grundkompetenzen nicht über eine klassische Berufslehre erfolgen kann. Die Skos wirbt stattdessen in einem ersten Schritt für eine Art „Trainingslager“: branchengetragene Berufseinstiegskurse von mehreren Monaten bis höchstens einem Jahr, konzipiert und getragen von den jeweiligen Berufs- und Branchenverbänden.

 

Kernstück jeglicher Integration ist die Sprache. Deshalb soll der Spracherwerb auch in die beruflichen Qualifizierungsprogramme integriert werden. Damit nicht zu viel Zeit mit „teilweise langwierigem und im rein schulischen Kontext oft wenig erfolgreichen Aufbau von Sprachkompetenz verloren geht“– wie die Skos kritisch zur heutigen Praxis anmerkt.

 

Die Berufseinstiegskurse sollen den Absolventen die nötigen fachlichen und sprachlichen Kompetenzen für einfache Arbeiten in den jeweiligen Branchen vermitteln; dies als Voraussetzung, dass danach eine reguläre Berufslehre absolviert werden kann. Denkbar sind Berufseinstiegskurse für die Skos insbesondere in den folgenden Branchen: Gastgewerbe, Baugewerbe, Reinigung, Pflege, Hauswirtschaft, Landwirtschaft und öffentlicher Dienst.

 

Auch zum Zeitplan nimmt das Papier „Arbeit statt Sozialhilfe“ Stellung. Unmittelbar nach dem Entscheid über den Verbleib in der Schweiz soll mit der beruflichen Integration begonnen werden. Spätestens drei Monate nach dem Entscheid über das Bleiberecht sollen sich geeignete Personen für einen der verschiedenen Berufseinstiegskurse entscheiden.

 

 


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