Sie wird von links bis rechts als das grösste nationale Verständigungswerk der Schweiz
gepriesen: die Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung (AHV). Immer wenn sie im Laufe ihrer Geschichte in Schieflage geriet, kam Alarmstimmung auf, befeuert von allerlei „wissenschaftlichen“
Prognosen. In der Praxis war der AHV-Fonds, der 2014 mitten in den heraufbeschworenen Krisenszenarien einen rekordhohen Stand erreichte, in der Vergangenheit ein gern benütztes Füllhorn zur
Lösung vordringlicher Probleme – zur wirtschaftlichen Krisenbekämpfung und zuletzt zur Rettung der Zahlungsfähigkeit der Invalidenversicherung (IV).
Die Vorfinanzierung der AHV begann im Jahr 1926 - über zwei Jahrzehnte vor den ersten Rentenzahlungen im Jahre 1948. Dabei war das Sprichwort von „Sorge in der Zeit, dann hast du in der Not“ zuweilen eher Lippenbekenntnis als Leitmotiv der politischen Verantwortungsträger. Ein zu üppiges Wachstum der AHV-Reserven war – wie zumindest eine Stellungnahme des Bundesrates dokumentiert – sogar unerwünscht.
Ein gutes Beispiel ist die 4. AHV-Revision im Jahre 1957 (u.a. Herabsetzung des Rentenalters der Frauen von 65 auf 63 Jahre; Erweiterung der sinkenden Beitragsskala). Die damit verbundenen höheren Ausgaben seien sogar „wünschbar, um ein unbegrenztes Wachstum des AHV-Ausgleichsfonds zu verhindern“, erklärte der Bundesrat.
Jahre, in denen die Ausgaben der AHV höher ausfielen als ihre Einnahmen, gab es in den 1960er-, den 1970er-, den 1980er-, den 1990er- und den 2000er-Jahren häufig, zusammengezählt bis 2018 genau 24mal. Oft wurden die Rechnungssaldi, so wie zuletzt 2017, durch gute Kapitalanlagen vom roten in den schwarzen Bereich gedreht; es kam aber auch immer wieder vor, dass die AHV einschliesslich Erlös aus der Kapitalanlage in die roten Zahlen rutschte. Das schlechteste Umlageergebnis setzte es 1998 mit einem Verlust von 2,357 Milliarden Franken ab (Saldo ohne Anlageergebnis) bzw. 1,394 Milliarden Franken (Saldo inkl. Anlageergebnis).
Die längste Zeitspanne mit negativen Umlageergebnissen fiel in die Jahre 1993 bis 1997, als die AHV ununterbrochen siebenmal brandrot im Gesamtbetrag von 8,3 Mrd. Franken abschloss. Zum Vergleich: Die negativen Umlageergebnisse zwischen 2014 und 2018 belaufen sich auf den Gesamtbetrag von 3,7 Mrd.
Im Laufe der Jahrzehnte ist vor allem der Glaube in die Verlässlichkeit von Prognosen gestiegen. Dabei hat selbst der Bundesrat in den Finanzperspektiven 2009 freimütig eingeräumt, die Finanzlage der AHV jahrelang zu pessimistisch eingeschätzt zu haben ("Aktualisierung der Berechnungsgrundlage zur Erstellung von Perspektivrechnungen in der AHV").
So wurde zu wenig berücksichtigt, dass die Veränderung der durchschnittlichen Arbeitspensen zu einem Anstieg der vollzeitäquivalenten Erwerbsquoten und damit
auch zu höheren lohnabhängigen Beiträgen an die AHV führt – unabhängig von allfälligen Lohnerhöhungen. Und es wurde nicht oder zu wenig berücksichtigt, dass nicht nur die Löhne vorhandener
Stellen steigen, sondern dass der Strukturwandel in der Wirtschaft auch zu produktiveren und besser bezahlten Stellen führt, was die Einnahmen der Sozialversicherungen ebenfalls verbessert. Der
offenbar unerschütterliche Glaube in Prognosen erstaunt umso mehr, als gerade in Fragen der AHV-Finanzierung Prognostiker der UBS oft den Ton angeben, von denen man sich in eigener Sache
(60-Milliarden-Debakel zulasten der Steuerzahler!) beizeiten einen verlässlichen Blick in die Glaskugel gewünscht hätte.
Seit über 40 Jahren wird vor einer Finanzierungslücke gewarnt
Ab etwa Mitte der 1970er-Jahre warnte die Bevölkerungswissenschaft auch in der Schweiz vor einer sich anbahnenden Finanzierungslücke; sie wurde mehr oder weniger ignoriert, weil nach vorherrschender Meinung allein das Extrapolieren von Geburten- und Sterberaten die Veränderungen in der Wohlstandgesellschaft nicht ausreichend abbildete. Doch mit Beginn der 1990er-Jahre änderte sich dies. Die Demographie rückte in die erste Reihe der wissenschaftlichen Disziplinen auf. 1999, also ein Jahr nach dem rekordschwachen Umlageergebnis von 1998, wurde ein zweckgebundenes Mehrwertsteuerprozent zur Sicherung der AHV eingeführt, das sogenannte „Demographie-Prozent“, wovon der AHV freilich „nur“ 87 Prozent zufliessen, 13 Prozent sichert sich davon die allgemeine Bundeskasse, nicht zweckgebunden.
Damit kehrte die AHV 14mal in Folge zu positiven Umlageergebnissen zurück – bis ins Jahr 2014 (Verlust: 320 Mio. Franken), wobei der AHV-Fonds unter dem Strich gleichzeitig mit 44,787 Milliarden Franken einen rekordhohen Vermögenstand verbuchte – Folge einer höchst erfolgreichen Anlagetätigkeit (1,752 Mrd. Franken), dem Schuldenabbau der IV beim AHV-Fonds (922 Mio. Franken) und der Verzinsung der IV-Schuld (275 Mio. Franken).
Die Invalidenversicherung (IV) ist 2011 von der AHV getrennt worden, nachdem ihre Defizite explodiert und bis 2010 auf 14,9 Milliarden Franken gewachsen waren. Der neue IV-Fonds erhielt im Rahmen der IV-Sanierung ein Startgeschenk aus dem AHV-Fonds von 5 Milliarden Franken und das aufgelaufene Defizit wird durch die Bundeskasse verzinst. Ebenso profitiert die IV von einer befristeten Zusatzfinanzierung durch die Mehrwertsteuer für die Jahre 2011 bis 2017 (0,4 von 8 Mehrwertsteuerprozenten). Versprochen ist, dass die IV bis spätestens 2030 ihre AHV-Schuld abgetragen hat.
Die Finanzbranche bringt ein Renten-Kombi-Modell ins Spiel
Vor allem das vielversprechende Geschäft mit der beruflichen Vorsorge hatte schon in den 1920er-Jahren die Lebensversicherer auf den Plan gerufen. Ihre Renten aus den angesparten individuellen Beiträgen waren allerdings bescheiden: ein paar Monatslöhne mussten für den «dritten Lebensabschnitt» reichen.
Das besondere Augenmerk der Versicherungswirtschaft galt der als Bedrohung empfundenen staatlichen Vorsorgekonkurrenz: der AHV. Knapp zusammengefasst, galt ihr Argwohn einer allzu grosszügig dotierten, existenzsichernden Rente. Sie sollte die Menschen gleichsam nur auf den Geschmack nach mehr Vorsorge bringen, aber den Durst nicht gänzlich löschen. Dabei war hilfreich, dass Peter Binswanger, ein früherer Chefbeamter, der am Aufbau der AHV massgeblich beteiligt war, 1956 vom Bundesamt für Sozialversicherungen in die private Versicherungswirtschaft zur «Winterthur» (heute AXA) wechselte.
Ende der 1950er-Jahre scharte Versicherungsmanager Binswanger eine Lobby-Kommission um sich – die sogenannte Binswanger-Kommission, die unter dem Patronat der Lebensversicherungsgesellschaften zur «Studienkommission für die Probleme der Alters- und Hinterlassenenversicherung» mutierte und den Auftrag wahrnahm, ein Alternativmodell zur staatlichen Altersvorsorge zu entwickeln. Prof. Matthieu Leimgruber, der seine Doktorarbeit zur Geschichte der Pensionskassen verfasst hat und seit kurzem als Professor an der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich wirkt, erklärt in der Gewerkschaftszeitung «work» dazu: «Das Modell wurde von diesen Leuten ganz klar als Bollwerk gegen eine Volkspension geschaffen.»
1963 ist es der in diesem Thema jahrzehntelang allgegenwärtige Peter Binswanger, der die Mitglieder der Eidg. AHV-Kommission überzeugt, in der Botschaft zur 6. AHV-Revision die Definition der «drei Arten» (heute «Säulen» benannt) des «typisch schweizerischen Vorsorgesystems» aufzunehmen. Sinngemässe Begründung: Es gilt die Sozialversicherung dahin zu entwickeln, dass ihr Nutzen auch in Zukunft eine Grundlage und eine Ermutigung für die beiden anderen Vorsorgesysteme darstellt. Die AHV-Rente und mit ihr die Invaliden-Rente müssten einen Basisnutzen haben, der, auf sich allein gestellt, die Versicherungsbedürfnisse für Alter, Tod und Invalidität nicht zu decken vermögen. Das Milliarden-Geschäft der Finanzwirtschaft war damit vorgespurt.
AHV-Geld zur wirtschaftlichen Krisenbekämpfung und für die IV
Als die PTT-Briefträger 1948 zum ersten Mal AHV-Renten in der Höhe von monatlich 40 (minimal) bis 125 Franken (maximal) bar auszahlten, hatten sich im AHV-Fonds bereits 245 Millionen Franken angehäuft. Mit andern Worten: Bereits die Generation der ersten AHV-Bezüger hatte kräftig eingezahlt, bevor es etwas gab. 40 Franken, das entspricht heute rund 185 Franken; ein Industriearbeiter verdiente damals durchschnittlich 745 Franken im Monat.
Tatsächlich hätte es 1948 sogar weit mehr als 244 Millionen Franken im AHV-Topf haben müssen. Am 6. Dezember 1925 hatten Volk und Stände einer Ergänzung der Bundesverfassung zugestimmt, die den Bund beauftragte, auf dem Wege der Gesetzgebung die AHV einzuführen. In der Zwischenzeit sollte Kapital aus der Besteuerung des Tabaks und der gebrannten Wasser in einem Fonds angehäuft werden. Auch die mit den Kantonen geteilten Reineinnahmen aus der Alkoholsteuer sollten dem AHV-Fonds zukommen, doch während die Quelle «Tabak» sprudelte, erzielte die Alkoholverwaltung in der ersten Zeit der neuen Alkoholgesetzgebung keine Überschüsse.
Dank der Besteuerung des Tabaks kletterte die Fondssumme von 1926 bis 1934 von rund 19 auf 231 Millionen Franken und erreichte 1945 den Stand von rund 244 Millionen. Wären die Einnahmen aus der Tabak- und Alkoholsteuer, wie ursprünglich vorgesehen, über die ganze Zeit bis zur AHV-Einführung dem Fonds der künftigen AHV zugutegekommen, wäre dieser nach Berechnungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen bis Ende 1945 auf rund 800 Millionen Franken angewachsen. Das wären heute über 3,5 bis 4 Milliarden Franken.
Allein, vom 1. Januar 1934 an versiegte diese Quelle, weil mit der Tabaksteuer die Krisenbekämpfung finanziert wurde. Später wurde sogar die Verzinsung des AHV-Fonds anderweitig genutzt und erst 1942 ihrem eigentlichen Zweck wieder zugeführt.
Wäre es nach dem Leitenden Ausschuss des Schweizerischen Bauernverbandes und seinem mächtigen ersten Direktor Ernst Laur gegangen, so hätte der Bundesrat anstelle einer Altersversicherung eine beitragslose Vorsorge für das Alter einführen sollen. Die Bauern forderten eine allgemeine Altersvorsorge für Schweizerbürger ab 65 Jahren, wobei die Kosten aus Steuermitteln zu tragen gewesen wären. Dagegen forderte die Arbeiterschaft ein Versicherungssystem, „das dem Arbeiter zwar Beiträge auferlegt, ihm aber dafür anstelle einer Unterstützung einen selbsterworbenen Rechtsanspruch sichert“.
Der steinige Weg zur AHV von 1918 bis 1947
Die Idee einer AHV war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in bescheidenem Rahmen bereits in einigen Kantonen verwirklicht worden. Schweizweit wurde sie durch den Landesstreik und die geforderte Alters- und Invalidenversicherung zum nationalen Thema. Die Verhandlungen über den Bundesbeschluss über die AHV von 1925 begannen nur wenige Monate nach dem Ende des Generalstreiks. Der Bundesrat erläuterte die Ausgangslage, wie sie sich aus seiner Sicht präsentierte: Eine solche Versicherung sei „im wohlverstandenen Interesse des Staates“, weil „die gedrückte Lage ganzer Bevölkerungsschichten geeignet ist, die Klassenunterschiede zu verschärfen und durch den Ausbruch der Unzufriedenheit den für das Gedeihen des Staates erforderlichen sozialen Frieden ernstlich zu gefährden“.
Ein weiteres Argument richtete der Bundesrat an die Adresse der Kantone, indem er die kantonale Armenpflege ansprach: „Je ausgebauter die Sozialversicherung, je umfassender ihr Einzugsgebiet ist, desto mehr verschwinden die Fälle, die der Armenpflege zugewiesen werden müssen.“ Dem Bundesrat ging es dabei vor allem darum, die Kantone zur Teilfinanzierung der AHV aus öffentlichen Mitteln beizuziehen.
1931, sechs Jahre nach der Annahme des Verfassungsartikels kam das von den eidgenössischen Räten genehmigte Ausführungsgesetz (mit AHV-Alter 66 für beide Geschlechter!) zur Abstimmung, weil dagegen von den Gegnern einer nationalen Lösung das Referendum ergriffen worden war. Es wurde haushoch verworfen. Die Weltwirtschaftskrise diktierte andere Prioritäten und die AHV wurde auf die Warteliste gesetzt.
Aufgrund der 1940 eingeführten Erwerbsersatzordnung für Wehrpflichtige (EO) tauchte der Gedanke auf, Finanzierungsart und Organisation dieses ersten Solidaritätswerkes könnten nach Kriegsende allenfalls auf die neu zu schaffende AHV übertragen werden. 1944 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, dem der frühere Solothurner Industrievertreter Walther Stampfli (FDP) vorstand, die Frage der Einführung einer eidgenössischen AHV erneut zu prüfen. Stampfli war vor seiner Wahl in den Bundesrat Generaldirektor der von Roll und u.a. Verwaltungsratsdelegierter der Scintilla AG. In beiden Industrieunternehmen hat sich der frühere Journalist («Oltener Tagblatt») gemäss Verwaltungsratsprotokollen der Scintilla AG dafür stark gemacht, dass die soziale Grosszügigkeit der Arbeitgeberschaft enge Grenzen kennen müsse: „In der gegenwärtigen harten Zeit müssen wir die Leute dazu erziehen, das Schwere der Zeit zu ertragen.“ (so zum Beitrag der Scintilla als Arbeitgeberin an Wehrdienstpflichtige, ein paar Monate vor der Einführung der EO).
Gestützt auf die Vorarbeiten einer Expertenkommission, unterbreitete der Bundesrat 1946 dem Parlament eine entsprechende Gesetzesvorlage, die noch im gleichen Jahr von der Bundesversammlung verabschiedet wurde. Wiederum wurde das Referendum ergriffen.
15 Jahre nach dem ersten Anlauf und 22 Jahre (!) nach der Annahme des Verfassungsartikels wurden die Stimmbürger wieder an die Urnen gerufen. In der Volksabstimmung vom 6. Juli 1947 stimmten die Schweizer dem Bundesgesetz zur AHV und damit u.a. auch dem AHV-Alter 65 für Mann und Frau mit 862‘036 Ja gegen 215‘496 Nein bei einer Stimmbeteiligung von 80 Prozent zu. Nur der Halbkanton Obwalden lehnte ab.
Die tragende Rolle der Tabak- und Alkoholsteuer beim AHV-Bundesbeitrag
Haupteinnahmequellen bildeten die Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber (je 2 Lohnprozente) sowie Bund (zwei Drittel) und Kantone (ein Drittel) des während 20 Jahren geltenden fixen jährlichen Beitrags von 160 Millionen Franken. 1948 deckten die Mittel von Bund und Kantonen 126,2 Prozent der gesamten AHV-Ausgaben, entsprechend stark erhöhten sich die Fonds-Reserven. 1963, als der Bundesrat die 6. AHV-Revision verabschiedete, waren es nur noch 15,3 Prozent. Das waren deutlich weniger als die 50 Prozent, die die Verfassung höchstens zugelassen hätte und die am Anfang auch angestrebt wurden. Mit der 6. AHV-Revision wurde u.a. das Rentenalter für Frauen von 63 auf 62 herabgesetzt und der Beitrag von Bund und Kantonen von bisher 160 Millionen auf 350 Millionen Franken heraufgesetzt.
Bis 1972 waren die Einnahmen aus den Tabak- und Alkoholsteuern grösser als der Bundesbeitrag. Die Rückstellungen des Bundes für seine Leistungen an die AHV stiegen dadurch bis 1972 auf 1,701 Milliarden Franken an. Ab 1973 reichten die Einnahmen aus der Besteuerung von Tabak und Alkohol nicht mehr aus. Rückstellung mussten beansprucht werden. Als ab 1960 zusätzlich auch die Invalidenversicherung durch die Tabak- und Alkoholsteuern finanziert werden musste, waren die Reserven bereits zu Beginn des Jahres 1975 aufgebraucht. Bis 1981 blieben aber die Einnahmen aus den Tabak- und Alkoholsteuern für die Deckung des Bundesbeitrages wichtiger als allgemeine Steuermittel, auf die der Bund zum ersten Mal ab 1973 angewiesen war.
1972 kam es in der Altersvorsorge für eine bis heute entscheidende Weichenstellung: Volk und Stände lehnten mit grossem Mehr die Volksinitiative der Partei der Arbeit (PdA) für die Einführung einer „wirklichen Volkspension“ ab und stimmten dem Gegenvorschlag der Bundesversammlung mit 1‘393‘797 Ja gegen 418‘018 Nein zu. Damit wurde das Drei-Säulen-Prinzip in der Bundesverfassung verankert.
Wie eine solide AHV heute dastehen könnte
Tabak- und Alkoholsteuer, Mehrwertsteuer, Spielbankenabgabe und allgemeine Bundesmittel, also sämtliche Steuereinnahmen zusammen, die zur Finanzierung der AHV eingesetzt werden, machen im langjährigen Durchschnitt seit 1948 rund 23 Prozent der Ausgaben aus. Die Spielbankenabgabe kommt der AHV seit Beginn der 2000er-Jahre zu. Die Abgabe der A-Casinos fliesst zu 100 Prozent, jene der B-Casinos zu 60 Prozent in die AHV-Kasse, im letzteren Fall gehen 40 Prozent an die Standortkantone. Bis Ende 2014 sind Bund und Kantonen rund 5 Milliarden zugeflossen. Apropos Kantone: Mit dem 2008 eingeführten Neuen Finanzausgleich (NFA) sind die Kantonsbeiträge an die AHV entfallen, der Bund leistet seither den gesamten Beitrag der öffentlichen Hand.
Die Tabak- und Alkoholsteuer, die inzwischen zur Manövriermasse zwischen AHV-Finanzierungs- und Gesundheitsinteressen verkommen ist, wurde 1925 nach Darstellung des Bundesamtes für Sozialversicherungen ganz bewusst zur Finanzierung des AHV-Bundesanteils eingeplant. Es herrschte die Meinung vor, der Bund trage für diese „seine“ neue Versicherung eine finanzielle Mitverantwortung, ein zusätzliches Engagement dürfe er aber nur dann eingehen, wenn er sich dafür die notwendigen Einnahmen beschafft habe – eben durch die Tabak- und Alkoholsteuer.
Ständerat Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, hat in diesem Zusammenhang dem Bundesrat die Frage gestellt, welche Auswirkungen es gehabt hätte, wenn die Tabak- und Alkoholsteuer nicht dem Bund, sondern direkt der AHV zugekommen wäre. Eine Simulation der Jahresrechnungen durch das Bundesamt für Sozialversicherungen seit 1948 zeigt: Die AHV wäre mit dieser Lösung bis 1981 besser gefahren. Denn sie hätte die reich und lang über das erforderliche Mass sprudelnden Einnahmen aus der Tabak- und Alkoholbesteuerung zu einer erheblichen zusätzlichen Kapitalbildung verwenden und gewinnbringend anlegen können. Erst ab 1982, also neun Jahre später als in Wirklichkeit, wären Beiträge des Bundes aus allgemeinen Steuermitteln notwendig geworden. Ohne deren im Laufe der Jahre wachsenden Anteil wäre die AHV-Kasse etwa 1994 leer gewesen.
Für den von der Verfassung nicht vorgesehenen Fall, dass die Tabak- und Alkoholsteuer direkt der AHV zugekommen wäre, gleichzeitig aber die Beiträge der öffentlichen Hand seit 1948 im definierten Rahmen (seit 1969 in periodisch bestimmten Prozenten der AHV-Ausgaben, vorher jährlich 160 bzw. 350 Millionen) in die AHV-Kasse gespült worden wären, hätte sich eine erhebliche Überfinanzierung ergeben. Die Simulation des Rechnungsergebnisses zeigt, dass die AHV in diesem hypothetischen Fall auf die Einnahmen der Spielbanken, der Mehrwertsteuer und der Kantone vollständig hätte verzichten können und heute dennoch einen Fondsstand von 200 Prozent der Ausgaben ausweisen würde. Allerdings hätten Bundesrat und Parlament in diesem Fall dem Bund zusätzliche Einnahmen in der Höhe von mehr als 70 Milliarden Franken verschaffen müssen, um die Einnahmequellen Tabak- und Alkoholsteuern sowie Mehrwertsteueranteil zu ersetzen.
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