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Mit oder ohne Zwang: Die Hürden zur Arbeitsmarktintegration im Asylbereich

Der Erwerb von Sprach- und Grundkompetenzen ist Voraussetzung, damit später die Arbeitsmarktintegration von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen realistische Chancen hat. Wie definieren sich geforderten Sprach- und Grundkompetenzen?

Asyl Sprach- und Grundkompetenzen

Im Fokus der helvetischen Berufsbildungsexperten stehen vor allem die spät zugewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die meisten von ihnen haben – zurückhaltend formuliert – schulische und sprachliche Defizite. Geschieht nichts, ist der Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit vorgezeichnet – zulasten der Sozialhilfe in den Gemeinden und Kantonen. Über den Daumen gepeilt, kommen auf diese in den nächsten Jahren, wenn die grossen Kontingente (2014, 2015, 2016) der anerkannten Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen aus der Bundesverantwortung abgegeben werden, jährlich zusätzliche Sozialhilfekosten von 600 bis 700 Millionen Franken zu.

 

 

Wie schlimm es um den Zustand der Sprach- und Grundkompetenzen der Zugewanderten stehen muss, zeigt der Umstand, dass eine Organisation wie die Sozialhilfekonferenz SKOS für Personen mit Bleiberecht in der Schweiz auf Gesetzesstufe eine Verpflichtung zur beruflichen Qualifizierung anregt. Der aus den Erfahrungen der Praxis abgeleitete Vorschlag zur Prüfung durch den Bund findet aber bei den Bildungstheoretikern der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) in dieser Form keinen Zuspruch.

 

 

Die EDK will von einem einseitigen Bildungszwang nichts wissen. In der EDK-Erklärung «zu den Prinzipien für eine nachhaltige Integration von spät zugewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft in der Schweiz» heisst es dazu: «Nicht alle spät zugewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen können und/oder wollen in einen postobligatorischen Bildungsgang in der Schweiz eintreten.» Konkret heisst dies: Es soll freiwillig bleiben. Das Prinzip «Bildung vor Arbeit» (wie auch das Prinzip «Arbeit vor Sozialhilfe») soll lediglich «soweit wie möglich» gelten. Die erwähnte EDK-Erklärung ist im Einvernehmen mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation und dem Staatssekretariat für Migration beschlossen worden.

 

 

Auch ohne Bildungszwang gilt das strategische EDK-Ziel – 95 Prozent aller 25-Jährigen verfügen über einen Abschluss auf Sekundarstufe II (Lehrabschluss mit Eidgenössischem Fähigkeitsausweis) – auch für die Zielgruppe der spät zugewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen... «im Bewusstsein, dass es sehr hoch gesteckt ist».

 

Zunächst geht es aber darum, die jungen Zugewanderten so zu qualifizieren, dass sie den Anforderungen der Berufslehre entsprechen. Damit sind wir wieder bei der Sprach- und Grundkompetenzen angekommen, um die es vordringlich geht.

 

Je nach Branche oder Beruf geht die Sozialhilfekonferenz von «mindestens» (!) einem Sprachniveau A2 bis B1 aus:

  • A2: Sich in vertrauten Situationen mit kurzen Sätzen verständigen; findet sich in einfachen, routinemässigen Situationen zurecht, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht.
  • B1: Findet sich in fast allen Alltagssituationen sprachlich zu recht; kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Dinge und persönliche Interessengebiete äussern.

 

Und worum geht es bei den Grundkompetenzen?

 

 

Die Sozialhilfekonferenz umschreibt es in einem ihrer Positionspapiere praxisnah so: Um den unterschiedlichen Lebenslagen der Betroffenen gerecht zu werden, muss eine breite Palette von Massnahmen angeboten werden. Berufliche Integration beginnt mit Sozialkompetenzen wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Engagement, Lernbereitschaft, Beziehungsfähigkeit usw.

 

 

Später gehört zu den Grundkompetenzen zusätzlich alles, was im Anfang 2017 in Kraft getretenen neuen Bundesgesetz über die Weiterbildung aufgeführt ist: Grundkompetenzen sind Voraussetzungen für das lebenslange Lernen. Sie umfassen grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten in den folgenden Bereichen: Lesen, Schreiben und mündliche Ausdrucksfähigkeit in einer Landessprache; Grundkenntnisse der Mathematik; Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien.

 

 

Irgendwann – Gemeinden und Kantone hoffen möglichst rasch – wird sich zeigen, ob die Behauptung einer vom Staatssekretariat für Migration bemühten Experten-Gruppe stimmt, wonach 70 Prozent der im Asylbereich zugewanderten Personen das Potenzial für einen Bildungsabschluss Sekundarstufe II haben.

 

 

 


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