Seit ein paar wenigen Tagen ist die bisherige Gesundheitskosten-Statistik, wie sie seit 1960 von den Bundesstatistikern erhoben wird, Makulatur – und damit zumindest teilweise auch Aussagen in Studien, die mit durchaus unterschiedlichen Interessen auf diesem Zahlenmaterial aufbauen. Was ist passiert?
Die Medienmitteilung des Bundesamtes für Statistik (BFS) Ende April 2017 trägt den Titel «Neuberechnung der Gesamtgesundheitsausgaben 2015». Es handelt sich um die provisorischen Daten zu Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens. Erster Satz: «Die gesamten Ausgaben für das Gesundheitswesen in der Schweiz betrugen 2015 gemäss OECD-Standards insgesamt 77,8 Milliarden Franken.» Vor Jahresfrist hatte das BFS die Gesundheitskosten für 2014 mit 71,2 Milliarden Franken annonciert. Es lag mithin eine Steigerung von 6,6 Milliarden Franken oder 9,3 % vor, ja im Vergleich mit 2013 gar mit einer Zunahme um 8,6 Milliarden Franken oder 12,4 % in drei Jahren. Neu ist dies alles Schall und Rauch!
2014 betrugen die Kosten nicht wie letztes Jahr vom BFS bekanntgegeben und bis vor wenigen Tagen offiziell gültig 71,2 Milliarden Franken, sondern 74,6 Milliarden, also «nur» 3,4 Milliarden oder 4,6 % mehr als im Jahr davor. Damit halbiert sich auch die Steigerung für 2015: nur +3,2 Milliarden Franken oder +4,3 %. Entsprechend sind die Kosten von 2013 auf 2015 nicht um 8,6 Milliarden oder 12,4 % gestiegen, sondern nur um 5,7 Milliarden oder 8,2%. Kompliziert?
Das BFS schreibt dazu: «Die Dynamik im Gesundheitswesen der letzten Jahre bezüglich Strukturen und Prozessen erfordert eine Anpassung der Statistik Kosten und der Finanzierung des Gesundheitswesens. Ziel ist dabei vor allem, die besten Datenquellen und -methoden zu verwenden, um die Aussagequalität zu verbessern. Um die internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wird dabei wegleitend die OECD-Methodik «System of Health Accounts» genutzt.»
Was wurde von 2014 auf 2015 verändert (und jetzt bis 1960 «retropoliert»)? Aufgrund einer neuen Datenquelle (!) erhöhen sich die Kosten von Arztpraxen um 1,4 Milliarden Franken und beim Detailhandel wurden mehr Produkte berücksichtigt (+ 0,9 Milliarden Franken). Ansonsten «neutralisieren sich die Revisionseffekte» mehr oder weniger: Neu ist eine Kategorie «Pflege durch Angehörige» aufgenommen worden (+1 Milliarde), während «aufgrund internationaler Vorgaben», so das BFS weiter, die Leistungskomponente «Haushalt und Soziales» nicht mehr im Gesundheitswesen, sondern in Sozialstatistiken, die nicht zum Gesundheitswesen gehören, berücksichtigt wird (-0,8 Milliarden Franken).
Was die eine Milliarde anbelangt, mit der neu «Pflege durch Angehörige» bei den Kosten berücksichtigt wird, stellt sich natürlich die Frage: Warum eine Milliarde? Das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) hat vor zwei Jahren unbezahlte «Care-Arbeit» von Angehörigen im Umfang von 3,5 Milliarden wissenschaftlich erhoben. Und bereits 2010 hat die Schweizerische Alzheimervereinigung allein den Marktwert von Betreuungs- und Pflegeleistungen durch Angehörige von Menschen mit Demenz mit 2,8 Milliarden Franken beziffert.
Fazit: Das Wechseln der Räder am fahrenden Zug wird bei BFS im Bereich der sozialpolitischen Statistiken zur Gewohnheit. Noch vor nicht langer Zeit ist die Statistik der bedarfsabhängigen Sozialleistungen so bearbeitet worden, dass kein Vergleich mit früheren Jahren mehr möglich ist.
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