Im Laufe des Jahres 2017 sind in der Schweiz 39'816 Personen aus der Arbeitslosenversicherung (ALV)
ausgesteuert worden - im Durchschnitt pro Monat 3292 Personen. In den 2000er-Jahren sind bisher nur zweimal mehr Menschen vom Arbeitsmarkt vorübergehend oder ganz verstossen
worden.
Nach der Aussteuerung verlaufen die Erwerbsbiografien der Betroffenen höchst unterschiedlich. Beispiel Dezember 2017 gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO): Von den allein im Dezember ausgesteuerten 3443 Personen haben bis Ende Februar 2018 statistisch erfasst 535 der 16 Prozent eine neue Stelle gefunden; 729 oder 21 Prozent waren weiterhin bei einem RAV registriert und blieben damit vorerst als arbeitslos oder stellensuchend erfasst. 2179 Ausgesteuerte (63 Prozent) waren Ende Februar 2018 nicht mehr in der Arbeitslosenversicherung (ALV) eingeschrieben.
Und dann? Die Ausgesteuerten, die nicht mehr bei einem RAV registriert sind, werden von der Arbeitslosenstatistik des SECO nicht mehr erfasst. Spuren ihres weiteren Schicksals finden sich nur noch in der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE), und zwar vierteljährlich mittels Stichproben.
Und sonst? Im Auftrag des SECO hat die Berner Fachhochschule Soziale Arbeit (BFH) schweizweit alle Personen untersucht, die 2005 bzw. 2009
a) neu Arbeitslosentaggelder bezogen haben (Beginn einer neuen Rahmenfrist der ALV) oder
b) ausgesteuert wurden.
Um die Erwerbsbiographie und die Sozialleistungsbezüge dieser Personen bis 2013 beobachten zu können, wurden die Administrativdaten der ALV, der Invalidenversicherung (IV) und der individuellen AHV-Konten sowie der Sozialhilfestatistik im Längsschnitt verknüpft. Es wurde für fünf bzw. acht Jahre nach dem Beginn der Arbeitslosigkeit bzw. der Aussteuerung monatlich festgestellt, ob eine Person erwerbstätig war und/oder eine Sozialleistung der ALV, IV oder der Sozialhilfe bezogen hat.
Ergebnisse – gemäss «impuls», dem Kundenmagazin der BFH:
90 Prozent der Ausgesteuerten waren im Laufe der folgenden acht Jahre (2005 bis 2013) zumindest zeitweise wieder erwerbstätig. Drei Viertel der ausgesteuerten Personen weisen jedoch Erwerbsphasen mit einem monatlichen Erwerbseinkommen von weniger als 2500 Franken auf. 80 Prozent hatten Erwerbsunterbrüche von mehr als drei Monaten.
Als nachhaltig integriert gelten gemäss Erwerbstypologie Personen, die während mehr als 80 Prozent der Zeit mit einem Einkommen von über 2500 Franken erwerbstätig waren. Nur 22 Prozent der Ausgesteuerten gehörten diesem Erwerbstyp an. 26 Prozent waren teilweise integriert, was heisst: Diese Personen waren während 40 bis 80 Prozent der Beobachtungszeit erwerbstätig, und zwar mehrheitlich mit einem Einkommen von über 2500 Franken.
Gut ein Fünftel (22 Prozent) war zwar ebenfalls zu einem erheblichen Teil der Zeit erwerbstätig, allerdings ohne existenzsichernden Lohn. Diese Personen waren in mehr als 40 Prozent der Zeit erwerbstätig, jedoch mehrheitlich mit einem Einkommen von weniger als 2500 Franken. 30 Prozent der Ausgesteuerten waren nur noch minimal oder gar nicht mehr erwerbstätig (Erwerbstätigkeit in weniger als 40 Prozent der beobachteten Zeit).
Die BFH-Untersuchung zeigt somit, dass bei einem grossen Teil der Ausgesteuerten die Erwerbssituation in den folgenden acht Jahren instabil und prekär ist. Dieses Bild bestätigt sich offenbar, wenn die Sozialleistungsbezüge nach der Aussteuerung betrachtet werden. Knapp zwei Fünftel (38 Prozent) waren nach der Aussteuerung auf Sozialhilfe angewiesen, meistens während einer längeren Zeit. Die durchschnittliche Bezugsdauer betrug fast drei Jahre (33,8 Monate).
Ein Teil der Ausgesteuerten (26 Prozent) war wegen eines ungenügend hohen Erwerbseinkommens zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen (Working Poor). 43 Prozent wurden nach einer Phase der Erwerbstätigkeit später erneut arbeitslos und auf Arbeitslosenentschädigung angewiesen. Rund neun Prozent der Personen bezogen nach der Aussteuerung eine IV-Rente.
Die grosse Mehrheit der Ausgesteuerten war in den acht Jahren nach der Aussteuerung auf Sozialleistungen angewiesen. Die meisten Personen (71 Prozent) wiesen jedoch nach der Aussteuerung auch längere Phasen auf (von mehr als drei Monaten), ohne dass sie eine Sozialleistung bezogen hatten oder über ein Erwerbseinkommen verfügten. Sie lebten in diesen Phasen entweder vom Vermögen (ehe es bis auf 4000 Franken aufgebraucht war) oder vom Einkommen eines Partners oder einer Partnerin.
Personen ohne Berufsausbildung, Frauen und Personen älter als 45 hatten ein erhöhtes Risiko für einen Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt nach der Aussteuerung. Bei diesen waren nur noch etwa 40 Prozent nachhaltig oder teilweise erwerbsintegriert. Über ein Drittel der Personen über 45 oder ohne Ausbildung waren nur noch minimal oder überhaupt nicht mehr erwerbstätig. Auch Geschiedene und Personen aus Nicht-EU-Ländern waren überdurchschnittlich oft nicht mehr erwerbstätig, bzw. der Anteil mit einer nachhaltigen oder teilweisen Arbeitsmarktintegration war relativ gering.
Umgekehrt hatten ledige Schweizer Männer unter 35 Jahren mit mindestens einer Berufsausbildung auch nach einer Aussteuerung vergleichsweise gute Chancen für eine stabile Erwerbstätigkeit. 70 Prozent von ihnen waren zumindest wieder teilweise beruflich integriert mit einem existenzsichernden Lohn.