· 

Asyl: Weniger Gesuche, wachsende Bestände - steckt die Rekurs-Flut dahinter?

Die Zahl der Personen, die sich im Asylbereich unter der Ägide des Staatssekretariats für Migration (SEM) in der Schweiz aufhalten, hat 2017 mit 121'402 einen neuen Höchststand erreicht – obschon die Asylgesuche in den beiden letzten Jahren stark abgenommen haben. Über die Gründe darf gerätselt werden.

 

Erstmals seit 2010 sind weniger als 20'000 Gesuche gestellt worden, über 30 Prozent weniger als 2016 und nicht einmal mehr halb so viele wie im Rekordjahr 2015 mit knapp 40'000.

 

Nach wie scheint die von links wie von rechts kritisierte Dublin-Verordnung der Schweiz zum Vorteil zu gereichen. Zwar haben die EU-Länder seit Bestehen des Abkommens noch nie so viele Rückübernahmegesuche gestellt wie 2017, aber entscheidend ist, wie viele erst genehmigt und auch vollzogen werden. Die Schweiz hat seit 2009 deutlich mehr Personen in andere Dublin-Staaten überstellt (28'195 auf 106'310 Gesuche), als sie selbst übernehmen musste (5328 auf 26'898 Gesuche).

 

Daraus folgt auch, dass die meisten Überstellungen ausblieben, weil die Betroffenen bereits zuvor unkontrolliert verschwunden waren. Zwischen 2009 und 2017 haben so fast 60'000 Menschen ihre Flucht mit unbestimmtem Ziel fortgesetzt. Im gleichen Zeitraum verbuchte das SEM rund 25'000 kontrollierte, selbständige Ausreisen und rund 30'000 Rückführungen in die Heimatstaaten sowie knapp 2000 an Drittstaaten.

 

Vom eingangs erwähnten 121'402 Personen, die sich Ende 2017 in der Schweiz aufhielten, waren 51'512 anerkannte Flüchtlinge und 41'544 vorläufig Aufgenommene; beides sind zumindest seit 2010 die höchsten Werte. Letztmals hat die Zahl der Personen, die sich Ende eines Jahres in der Asylzuständigkeit des Bundes in der Schweiz aufgehalten haben, im Jahr 2010 leicht abgenommen, seither nie mehr.

 

Last but not least: Trotz rekordhohem Gesamtbestand an irgendwie Flüchtigen hat sich 2017 die Erwerbsquote der vorläufig Aufgenommenen (VA) und anerkannten Flüchtlingen (FL) gegenüber 2016 erheblich verbessert: Jene der VAs belief sich auf 31,7 (+ 20) Prozent, jene der FL auf 26,7 (+ 36,3) Prozent. Zusammengezählt sind von den rund 90'000 VA und FL ziemlich genau 20'000 einem Erwerb nachgegangen, etwas mehr als jede fünfte Person.

 

Fazit: Woran es liegt, dass der Gesamtbestand der Personen im Asylbereich weiter zunimmt, obschon die Asylgesuche stark zurückgegangen sind, geht aus der Asylstatistik 2017 des SEM nicht hervor. Eine mögliche Erklärung: Die Zunahme um 3000 Personen gegenüber 2016 entspricht ziemlich genau den beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hängigen Pendenzen gegen SEM-Entscheide. Damit die neuen Fristen zur Behandlung der Asylverfahren ab Januar 2019 eingehalten werden können, beansprucht das BVGer vier zusätzliche Richterstellen und etwa 13 Gerichtsschreiberstellen für die beiden zuständigen Abteilung IV und V.