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Rentable IV-Sozialdetektive: Wie aus 11,7 satte 178 Millionen werden

Soll der Missbrauch von IV-Leistungen mit verdeckten Observationen kontrolliert werden dürfen oder reicht die Kontrolle der Akten für die Wahrheitsfindung? Die Auseinandersetzung darüber geht in eine weitere Runde.  

 

Abrupt mussten die von den kantonalen IV-Stellen verpflichteten Sozialdetektive 2017 ihre verdeckten Observationen bei Verdacht auf Versicherungsmissbrauch einstellen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die mangelnde gesetzliche Grundlage moniert. Im Eiltempo sorgten die Eidgenössischen Räte in der Frühjahressession für die nötige Korrektur im «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts». Dagegen ist das Referendum ergriffen worden. Bis zum 5. Juli 2018 haben die Initianten Zeit, die nötigen 50'000 Unterschriften zu sammeln. Wie ein Hintergrundbericht des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) zum IV-Geschäftsjahr 2016 zeigt, verhindert das Referendum vorerst Einsparungen in Millionenhöhe.

 

Die kantonalen IV-Stellen haben 2016 insgesamt 3820 Fälle von Missbrauchsverdacht bearbeitet, je etwa hälftig aus dem Jahr 2015 übertragene und neue Fälle. In 600 Fällen wurde eine Observation eingeleitet.

 

Bis Ende 2016 sind 1950 Fälle abgeschlossen worden, 270 nach einer Observation. In 650 Fällen wurde ein Versicherungsmissbrauch festgestellt, bei 180 davon aufgrund einer Observation. In zwei von drei Fällen bestätigte sich der Verdacht nicht.

 

Resultat der aufgedeckten Fälle: Die IV-Stellen werden umgerechnet 470 ganze Renten weniger auszahlen und sparen damit Ausgaben von 11,7 Millionen Franken pro Jahr ein – berechnet auf der Basis des durchschnittlichen Betrages einer ordentlichen IV-Rente und der Bezugsdauer bis zum Erreichen des Rentenalters ergeben sich Einsparungen von 178 Millionen Franken. Verteilt auf 650 aufgedeckte Fälle, ergibt sich ein Fall-Durchschnitt von 275'000 Franken. Entlastungen, die sich bei den Ergänzungsleistungen zur IV oder bei Invalidenrenten der 2. Säule ergeben, sind bei diesen Einsparungen nicht berücksichtigt.

 

Die Ermittlungskosten der IV werden mit rund 8 Millionen Franken beziffert, aufgeschlüsselt in 6,8 Millionen für Personal und 1,3 Millionen für Observationen. In 54 Fällen fordern die IV-Stellen unrechtmässig bezogene Leistungen zurück, und in 20 Fällen haben sie Strafanzeige erstattet.

 

Fazit: Auch wenn die hochgerechnete Summe reichlich kühn erscheint, ist nicht zu bestreiten, dass die Sozialdetektive sehr rentabel arbeiten. Ob die Erfolgsquote und die Rentabilität darunter leiden, wenn die Sozialdetektive ohne rechtlich vorerst nicht mehr zugelassene verdeckte Observationen arbeiten, wird sich nach Bekanntgabe der 2017 abgeschlossenen Missbrauchsfälle zeigen.